Die Seeschlacht

Die Seeschlacht bei Carwe (Karwe)

Es war im Jahre 1785. Der Sohn des alten Zieten auf Wustrau war Kornet im Leibhusaren-regiment seines Vaters und der Sohn des alten Knesebeck auf Carwe war Junker im Infantrieregiment von Kalkstein, das damals in Magdeburg stand. Der Zufall wollte, daß beide zu gleicher Zeit Urlaub nahmen und auf Besuch nach Hause kamen. Die beiden Nachbarfamilien lebten auf dem besten Fuß miteinander, und auch die jungen Leute hielten einen freundschaftlichen Verkehr. Man sah sich oft und unternahm gemeinschaftliche Partien. Es war im August, See und Himmel waren blau (…). An solchem Tage begegneten sich Junker und Kornet am Ufer, plauderten hin und her von der Strenge des Dienstes und von der Luft des Krieges und kamen endlich überein, in Ermangelung wirklichen Kampfes, zwischen Carwe und Wustrau eine Seeschlacht aufzuführen. Man machte sich gleich an den Plan. Die Carweschen sollten heftig angreifen und die Zietenschen bis nach Wustrau hin zurückdrängen, dann sollten aber diese sich sammeln und die Knesebecks in ihren Schilfwald zurückwerfen. So war es beschlossen; man schied mit herzlichem Händeschütteln und freute sich auf den anderen Tag.

Die Eltern nahmen auch Anteil, beide Dörfer waren in Aufregung. Nach Ruppin hin ergingen Einladungen an befreundete Offiziere , Pulver wurde beschafft, und während Kornet  und Junker ihre Vorbereitungen trafen, nahmen die Herrenhäuser von Carwe und Wustrau den Charakter eines Kriegslaboratoriums an, drin allerhand Feuerwerk, Schwärmer, Raketen und Feuerräder in möglichster Eile hergestellt wurden. So kam der ersehnte Abend. Mit dem Schlage neun liefen beide Flotten aus, jede sechs Kähne stark, das Admiralboot voraus.

Als man aneinander war begann die Schwärmerkanonade; vom Ufer her scholl der Jubel einer dichtgedrängten Menschenmenge, und als ein pot au feu seine Leuchtkugeln in die Luft warf, zogen sich verabredetermaßen die Zietenschen nach Wustrau hin zurück. Aber nur auf kurze Entfernung. Ehe sie noch in die Nähe des Hafens gekommen waren, wandten sie sich wieder und drei große Raketen fast horizontal über das Wasser hinschießend, gingen sie jetzt ihrerseits mit verdoppeltem Ruderschlag zum Angriff über. Die Carweschen hielten einen Augenblick Stand, dann begann der Rückzug immer eiliger, immer rascher. Die Wustrauschen setzten nach und waren eben auf dem Punkt, die Fliehenden bis in das dichte Schilf hinein zu verfolgen, als ein lautes, staunendes Ah, das vom Ufer her herüberklang, die Verfolgten stutzig machte und ihre Blicke nach rückwärts lenkte.

Die Sieger waren gefangen. Im Carweschen Schilf hatte ein ganz Flotte von Fischerkähnen verborgen gelegen, die der Junker vom Regimente in Kalkstein als Mietstruppen für diesen Tag angeworben und von seinem Taschengelde bezahlt hatte. Es waren Fischerkähne aus Alten-Friesack, 24 an der Zahl. In langer Linie kamen sie jetzt aus dem Schilf hervor, jeder eine Laterne hoch am Mast, und legten sich quer über den See. Das Lampenlicht war hell genug, die Fischergestalten zu zeigen, wie sie dastanden mit vorgehaltenem Ruder, bereit, jeden Fluchtversuch zu vereiteln. Die Wustrauschen machten gute Miene zum bösen Spiel und sprangen lachend ans Ufer. Nie wurden Gefangene schmeichelhafter begrüßt. Als sie in den Park traten, sahen sie dicht vor dem Herrenhause eine Ehrenpforte errichtet, an deren Spitze das von Lichtern umgebene Bild des alten Zieten leuchtete, darunter die Unterschrift: Viola notre modèle. Das ist die Geschichte von der Seeschlacht bei Carwe; sie kann es aufnehmen mit manchem großen Sieg.

Aus Theodor Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 1. Teil, Grafschaft Ruppin, 1862