Wilhelmine v. dem Knesebeck aus Karwe war Hofdame bei Königin Sophie Dorothea, der Mutter König Friedrichs II. von Preußen, dem Alten Fritz. Bei einer Kutschenfahrt in einem Park bei Berlin gingen Hofdame Wilhelmine die Pferde durch. Mit großer Courage sprang sie bei voller Fahrt aus der rasenden Kutsche. Die mutige Tat imponierte Friedrich den Großen so sehr, dass er ein zweiseitiges Gedicht – Original in französischer Sprache – über Wilhelmines Mut verfasste, in dem er sie tapferer als Penthelisea beschrieb. Der preußische Hofmaler Adolf v. Menzel (1815-1905) fertigte einen Stahlstich an, der dieses Ereignis später dokumentierte: der beherzte Sprung der Wilhelmine.
Und hier ist das Gedicht in deutscher Übersetzung, das Friedrich der Große über Wilhelmine v. dem Knesebeck im März des Jahres 1773 verfasste:
Wer hätt’s gedacht, daß ich auf meiner Laute
(Sie klingt mitunter ziemlich stümperhaft!)
Mit Pindar je zu messen mich getraute
Zum Lobe preußischer Heroenschaft –
Nicht etwa, wie sie Feinde stürzt und Throne,
Nein! wie durch eine edle Amazone
Sie Reiz und Anmut eint mit Heldenkraft!
Jüngst fuhr die Knesebeck im Galawagen,
Dem Lärm und Dunst der Großstadt zu entfliehn,
An einem von den ersten Frühlingstagen,
Da wieder warm und hell die Sonne schien,
Zu ihrer Lunge freierem Behagen
Spazieren nach dem Wildpark vor Berlin.
Kaum hat sie hinter sich den Wagentroß,
Scheut ihr Gespann, dem des Hippolytos
An Wildheit gleich, so daß nach wenig Schritten
Die Zügel aus des Lenkers Händen glitten.
Kein Drachenwurm mit heißen Flammennüstern,
Im Schuppenpanzer, grimm und beutelüstern,
Trieb etwa jäh die Gäule an –
Ein winziger Zufall nur war schuld daran.
Sofort sah unsre Heldin klar:
Hier ist ein rasches Handeln nur geboten,
Um abzuwenden tödliche Gefahr.
Die Spree lag vor ihr, und die Wellen drohten.
Wer denkt nicht an den Helden Prinz Eugen?
Halb Belgrad lag in Trümmer schon geschossen,
Zum Sturme sollt’ es auf die Festung gehn,
Da wird er von den Türken eingeschlossen!
Er wahrt mit höchstem Mut die Waffenehre,
Stürzt ohne Zögern und mit voller Wucht
Sich auf die Übermacht der Türkenheere
Und schlägt sie blutig in die Flucht.
Ganz so verfährt die tapfre Knesebeck!
So manche wäre unter heftigem Pochen
Des Herzens feig in Tränen ausgebrochen.
Sie aber, ohne Spur von Schreck
Und ohne einen Augenblick die Lehre
Vom Gleichgewichte zu vergessen, springt,
Als ob es täglich ihre Übung wäre,
Herunter vom Gefährt – der Sprung gelingt,
Indes die wilden Renner mit dem Wagen
In jäher Flucht von dannen jagen.
Wie schade, daß für all den Ruhm,
Den wohl verdient so seltnes Heldentum,
Es uns an edler Sangeskunst gebricht.
Und daß das Spreeland leider nicht
Uns Dichter zeugte wie das Land am Po!
Manch einen Helden schon vergaß man so!
Und manch Begebnis mußte längst verblassen,
Hätt’ es ein Dichter nicht erinnerungsfroh
In schönen Versen neu erblühen lassen.
Held Alexander lebt in aller Munde,
Was jener andre kaum erhoffen darf,
Der groß wie er, waghalsiger im Grunde,
Allein ganz Asien unterwarf.
Warum blieb Tamerlan so unbekannt?
Nur, weil in der Levante sich bisher
Kein Quintus Curtius, kein Homer
Zu seines Heldenruhms Verbreitung fand.
Und muß ich schmerzlich auch beklagen,
Daß meiner Muse leider nie
Der Gott der Dichtkunst seine Gnade lieh,
So kann ich’s doch mir nicht versagen,
Die Wahrheit in die Welt zu tragen:
Daß Frauen auch in Preußen Lob und Ruhm,
Und oft in höherm Maß, verdienen,
Als, allzu rasch begeistert, ihnen
Zuschrieb das sehr geschwätzige Altertum.
Mir gilt die Kunst Homers als unerreichbar,
Und doch ist, so behaupt’ ich keck,
Penthesilea nicht vergleichbar
Mit unsrer edlen, tapfern Knesebeck.
Friedrich II., König von Preußen, 1173.
Quelle: Die Deutsche Gedichtebibliothek